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Künstliche Intelligenz: Duplikation vs. Simulation

Artificial Intelligence - Generative AI Agents

Über diesen Punkt herrscht in der Künstliche Intelligenz-Gemeinde immer noch große Verwirrung. Mit diesem etwas zu lang geraten Artikel möchte ich meine Sicht zum Verhältnis von Duplikation und Simulation darstellen, denn es ist von großer Bedeutung, dass hier Klarheit herrscht.

Der Philosoph John Searle hat diesem Punkt große Bedeutung beigemessen, indem er erklärt, eine Simulation sei keine Duplikation und eine Maschine könne menschliches Denken nicht duplizieren, sondern bestenfalls simulieren. In dem Punkt das Simulation und Duplikation zwei Paar Stiefel sind, stimme ich ihm voll und ganz zu.

Zum besseren Verständnis: Eine kurze Übersicht über die Spielarten der künstlichen Intelligenz.

Spielarten künstlicher Intelligenz

AISOMA – Spielarten künstlicher Intelligenz

Kommen wir nun zum eigentlichen Thema des Artikels.

Künstliche Intelligenz: Duplikation vs. Simulation

Angenommen wir haben zwei Arten von Gegenständen vor uns, sagen wir mal, ein Audi A4 (weder mein Lieblingsauto noch fahre ich es) und ein zweites Objekt, von dem jemand behauptet, es sei ein „Duplikat“ oder ein „Modell“ des Audi A4. Was bedeutet das genau? Was macht ein Modell des A4 aus? Es bedeutet genau, dass was ein Zehnjähriger der sich für Automodelle interessiert darunter versteht. Nämlich das eine direkte Entsprechung zwischen den Außenreizen, den internen Zuständen und dem Verhalten des A4 und den Inputs, internen Zuständen und Outputs des Modells besteht. Die Entsprechung muss nicht notwendigerweise hundertprozentig sein. Es kann also sein, dass einige Außenreize, Zustände und/oder Verhaltensweisen des Modells A4 im Modell nicht vorhanden sin. Ein menschliches Gehirn gleicht ja auch nicht dem anderen. Wenn sie beispielweise nach Ingolstadt fahren und sich ein Modell des A4 im Windkanal anschauen, werden sie feststellen, dass dem Modell eventuell die Sitze, die Navigation… und alle anderen Ausstattungsdetails fehlen, die vielen der internen Zustände des „echten“ Audi A4 bilden – aus dem einfachen Grund, dass sie für die Zweckbestimmung des Modell irrelevant sind, d.h. für den Test der aerodynamischen Eigenschaften des richtigen Autos. Dennoch stehen die Außenreize, Zustände und Verhaltensweisen des Modells in einer direkten Beziehung zu einer Teilmenge der Inputs, Zustände und Verhaltensformen der echten Maschine. Eine solche Entsprechung ergibt eine Modellbeziehung zwischen dem echten A4 und dem Objekt im Windkanal. Man beachte, dass das Modell einfacher als der reale Gegenstand, den es nachbildet, und zwar insofern, als es weniger Zustände aufweist. Diese Eigenschaft ist charakteristisch für Modellbezeichnungen:

Modelle sind stets einfacher als ihre Urbilder.

Wie verhält es sich nun mit einer Simulation?

Nehmen wir mal einen Drucker der Marke X, dessen Bedienungsanleitung mir versichert, dass ich mit ihm einen anderen Druckertyp, einen z.B. HP Laserjet Plus, nachahmen, d.h. „simulieren“ kann. Was bedeutet es, wenn man sagt, dass meine X-Maschine eine andere Maschine simulieren kann?

Das bedeutet einfach, dass die Inputs und Zustände der HP-Maschine in die Zustände meiner Maschine verschlüsselt werden können und ebendiese Zustände meiner Maschine lassen sich dann in die richtigen Outputs entschlüsseln, die ein echter HP-Drucker produzieren würde. Wichtig ist, dass meine Maschine in einem ganz bestimmten Sinne komplizierter sein muss als der HP, wenn ein solches Ver- und Entschlüsselungswörterbuch zustande kommen soll. Genauer gesagt: Damit die Inputs und die Zustände des HP in die Zustände meines „Simulators“ verschlüsselt werden können, muss meine Maschine mehr Zustände besitzen als der HP-Drucker, wenn man beide Geräte als abstrakte Maschinen auffasst. Demnach muss der Simulator (mein Drucker) komplizierter sein als das simulierte Objekt (der HP-Drucker). Dies gilt ganz allgemein:

Eine Simulation ist immer komplizierter als das System das sie simuliert.

Diese kurzen, ja vielleicht banalen und zwangslosen Ausführungen über Modelle und Simulationen lasen sich in exakte mathematische Terme umsetzen, vorausgesetzt natürlich, es liegen Kriterien vor, die im Prinzip überprüfbar sind und die wir dazu verwenden können, um ein Programm, das menschliche Denkprozesse im Modell nachbildet, von einem anderen zu unterscheiden, das sie lediglich simuliert. In diesem Zusammenhang ist es sehr interessant, dass eine Simulation des Gehirns notwendigerweise ein System erfordert, das mehr Zustände aufweist als das Gehirn selbst. Dieser Umstand lässt berechtigterweise viele zweifeln ob jemals das Gehirn im Ganzen je simuliert werden kann.

[bctt tweet=”Künstliche Intelligenz: Duplikation vs. Simulation #KünstlicheIntelligenz #KI ” username=”CEO_AISOMA”]

Das Gehirn mit seinen rund 100 Milliarden Neuronen hat mindestens 2 hoch 10 hoch 11 möglich Zustände -eine Zahl die in jeder Hinsicht größten Respekt verdient, denn sie übertrifft bei weitem selbst die Zahl der Protonen im uns bekannten Universum (10 hoch 79) um einen Faktor von etwa zwei hoch hundert Milliarden. Schon diese Zahl ist so groß, dass man Schwierigkeiten hat, sie in Worten auszudrücken. Von dessen Vorstellung ganz zu schweigen. Somit können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass es mittel-, und langfristig keine Simulation des Menschenhirns geben wird (das Human Brain Project, finanziert von der EU, verfolgt ein ähnliches Ziel).

Modelle des Gehirns sind eine ganz andere Sache, und es trifft sich gut, dass die „starke Künstliche Intelligenz, menschlich“ Modelle und keine Simulationen braucht. Alles in allem habe ich den Eindruck, dass die Denkmaschinendebatte im Grunde eine Schlacht zwischen den Philosophen ist und nicht der Computerwissenschaftler und Programmierer.

Mein Gefühl sagt mir, dass uns in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren eine genuine Maschine ins Haus steht. Meine „Hoffnungen“ basieren hauptsächlich drauf, dass wir in der Informationsverarbeitung neue Konzepte in Verbindung mit neuartiger Hardware, wie z.B. Quantencomputer, ausarbeiten werden. Um nur eines von den anstehenden Innovationen in der Informationsverarbeitung zu nennen. Ob sie wirklich dann mit „starke Künstliche Intelligenz, menschlich“ tituliert werden kann? Das ist dann eine andere spannende Frage, die dann zu gegebener Zeit noch geklärt werden muss. Nach welchen Kriterien, Maßstäben? Das werden dann die Philosophen, Psychologen, Anthropologen usw. bestimmen müssen.

Ich kann jedoch meinerseits diesen kurzen Exkurs mit einer Aussage beschließen, die eindeutig und definitiv ist:

Wie auch immer die Sache der „starken Künstliche Intelligenz, menschlich“ ausgehen wird, das Ergebnis wird unser Selbstverständnis und unsere Auffassung von unserer Stellung in der kosmischen Ordnung radikal verändern.

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